Monat: Januar 2023

PartnerFamilienunternehmen

Die Zahl derer Familienunternehmen, die sich für neue Mitinhaber*innen von außerhalb der Familie öffnen, nimmt zu. So ist meine Beobachtung. Und ich bin überzeugt davon, dass es in der Zukunft noch mehr werden. Und das ist wahrlich keine neue Erscheinung. 

Erfolg mit Partnern von außerhalb der Familie

An den Börsen gibt es bereits eine große Zahl von Familienunternehmen, welche externe Anleger und Investoren in ihren Gesellschafterkreis aufgenommen haben. Die Entwicklung des DAXplus® Family-Index und des GEX® (German Entrepreneurial Index) zeigt, dass börsennotierte Familienunternehmen bestens performen und den jeweiligen Vergleichsindex durchaus schlagen können.

Richtet man den Blick auf Dienstleistungsunternehmen, zB aus den Bereichen Steuerberatung, Rechtsberatung, Ingenieure , Architekten, IT-Beratung, Arztpraxen und viele andere, dann  wird man auch hier eine große Zahl finden, bei denen die Mitinhaberschaft oder Partnerschaft nicht oder nicht mehr an den Verwandtschaftsgrad gebunden ist. Die Eintrittskarte in den Gesellschafterkreis heißt: fachliche Eignung und Leistung. In Dienstleistungsunternehmen sind die Menschen das asset und nicht das Kapital oder Produktionsanlagen.

Und wie sieht es aus bei den Unternehmensgründern von heute? Im persönlichen Umfeld fällt mir auf, dass sämtliche mir bekannten StartUps von Menschen gegründet wurden, welche nicht miteinander verwandt sind. Man ist Kommilitone, Arbeitskollege oder einfach nur befreundet. Die unternehmerische Leidenschaft, der Wille etwas zu verändern, der Glaube an eine Idee und/oder das Streben nach Unabhängigkeit verbinden diese Gründer*innen.

Es gibt viele Gründe, warum Familienunternehmen sich öffnen

Ich habe recherchiert und mir die Familienunternehmen angesehen, welche ich in den letzten 25 Jahren meiner Beratungsarbeit kennengelernt habe. Viele davon sind nicht mehr im alleinigen Familienbesitz. Aus einigen hat sich die Familie komplett zurückgezogen. Manchmal haben familiäre Gründe den Ausschlag gegeben, in anderen Fällen sind es Veränderungen und Entwicklungen im Markt und im Unternehmen, die zur Öffnung des Gesellschafterkreises für Familienfremde geführt haben. In manchen Branchen führte Konsolidierung zu Konzentration und zur Abnahme der Zahl selbständiger Unternehmen. Viele Handelsunternehmen, aber auch die oben genannten Dienstleistungsunternehmen sind darunter zu finden. In einigen Fällen überstieg das notwendige Investitionsvolumen die Finanzkraft bestehender Eigentümerfamilien und führte zur Hereinnahme von Partnern.

Was mir bei meiner Recherche weiterhin auffiel: Einige haben ihren Status als Familienunternehmen aus der Unternehmenskommunikation und ihrer Website entfernt, obwohl sich nachweislich an der familiären Gesellschafterstruktur nichts geändert hat. Sie verweisen auf die Gründer und ihre Wurzeln als Familienunternehmen, in der Gegenwart aber stellen sie sich als modernes Unternehmen mit hoher Innovationskraft und exzellenten Leistungen dar und verzichten auf Begrifflichkeiten wie „in Familienbesitz“ oder „familiengeführt“. Warum tun Sie das? Ich vermute, es könnte ein erster Schritt in Richtung Öffnung sein indem man die eigene Identität als Familienunternehmen weiterentwickelt.

Die Welt innerhalb und außerhalb von Familienunternehmen ändert sich:

Warum ich glaube, dass die Öffnung zunehmend eine Option für viele Familienunternehmen sein wird? Eine kleine Sammlung meiner Beobachtungen:

  • Viele größere Familienunternehmen werden von familienfremden Managern geführt und von einigen höre ich Aussagen wie „… unsere große Herausforderung ist nicht der Markt, es ist unsere Eigentümerfamilie“. Sie spielen damit auf die begrenzten finanziellen und manchmal auch unternehmerischen Ressourcen der Familie und ihrer Mitglieder an.
  • Die junge Generation tickt anders. Viele finden ein offenes Unternehmen mit externen Partnern modern und das Festhalten am „geschlossenen System Familie“ für überholt.
  • In vielen Gesellschafterfamilien haben sich die Einzelnen vom Unternehmen entfremdet. Was normal ist, wenn man in anderen Berufen tätig ist, weit vom Unternehmensstandort weg wohnt, vielleicht nicht mehr den Firmennamen trägt und die eigenen Anteile am Unternehmen immer kleiner werden. Die moralische Verpflichtung… „hierfür hat mein Vater, meine Mutter, meine Großeltern gearbeitet“ ist der nüchternen Betrachtung einer Unternehmensbeteiligung gewichen. Und während früher die betrieblichen Themen am Mittagstisch weiter diskutiert wurden und das Unternehmen immer auch in der Familie präsent war, so haben sich die Zeiten geändert und das Unternehmen ist aus dem privaten Alltag verschwunden.
  • Viele Mitglieder von Unternehmerfamilien sind professioneller in ihrer Rolle als Gesellschafter geworden. Die Zunahme von „spezialisierten Beratern für Familienunternehmen“ sowie viele spezifische Ausbildungsangebote für die NextGen in Familienunternehmen haben ihren Teil hierzu beigetragen. Während, überspitzt ausgedrückt, früher der Wille des Patriarchen oder der Patriarchin nicht groß hinterfragt wurde, lässt die junge Generation nicht mehr einfach alles geschehen… sie fragt und hinterfragt. Und sie sind kritischer geworden. Wenn es für sie nicht mehr passt, dann suchen sie nach Alternativen und wollen aus dem Gesellschafterkreis austreten.
  • Heute gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten für Menschen, sich mit ihrer Arbeitskraft und ihrem Kapital einzubringen. Das können andere Unternehmungen, soziale oder kulturelle Organisationen, Stiftungen uvm sein. Die Konkurrenz für die Angebote des eigenen Familienunternehmens hat zugenommen.
  • Laut dem white paper der Credit Suisse in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen aus dem Jahr 2021 ist die Zahl von Family Offices exponentiell gestiegen. Für Unternehmerfamilien stellt ein Family Office eine logische und konsequente Fortsetzung von unternehmerischem Handeln mit gemeinsamen Vermögen dar.
  • Viele Menschen sind kulturell über ihre jeweiligen nationalen Grenzen hinausgewachsen. Das beginnt beim Studium in verschiedenen Ländern mit der Folge internationaler Netzwerke, gefördert durch Soziale Medien und dadurch, dass die NextGen heute durchwegs gut englisch spricht und somit Sprachbarrieren keine Rolle mehr spielen. Viele Familienunternehmen sind zwar ebenfalls globalisiert, aber erstens dürfte der Prozentsatz derer eher gering sein und zweitens sind doch viele durch ihre Produktionsstandorte und Organisationen an bestehende Standorte gebunden.
  • Blicken wir zuletzt noch auf die Entwicklung DER FAMILIE. Einigen gilt das 21. Jahrhundert als Zeitalter der biografischen Befreiung, auch aus geschlossenen Familienverbünden. Die Zahl der Einfamilienhaushalte hat laut statista.com in den letzten 20 Jahren um ca. 46% zugenommen. Die traditionell-bürgerliche Familie droht aus der Zeit zu fallen. Familie wird neu gedacht und das Familienbild wandelt sich. Die Fortführung familiärer Werte im engen Verbund auch mit Menschen, mit denen man nicht mehr verwandt sein muss, bezeichnet man als „Familie 2.0“. Diese führt zu größerer Offenheit und Vielfalt, zu neuen Freiheiten und Selbstverantwortung. Versorgungsaufgaben, gemeinsame Aktivitäten und Werte und auch die Offenheit für Vielfalt bilden die neue Klammer.

Wie kann die Öffnung des Gesellschafterkreises gelingen?

Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, dass die Zahl der Familienunternehmen, die sich für Mitinhaber*innen von außerhalb der Familie öffnen werden steigt, dann wird der Ausstieg und der Einstieg von Gesellschaftern in Familienunternehmen zu einer neuen und erweiterten Managementaufgabe für Unternehmerfamilien. Damit das so wird, muss noch einiges geschehen, denn viele sind für einen solchen Schritt noch nicht vorbereitet und es fehlt zuweilen an externer Unterstützung. Hierzu erste Gedanken:

  • Es braucht ein neues Bewusstsein und eine neue Identität in den Inhaberfamilien. Der Zusammenhalt als Stärke einer Unternehmerfamilie wird ergänzt durch die Fähigkeit zu offenen und vertrauensvollen Partnerschaften mit Dritten.
  • Die Inhaberfamilie muss sich radikal von den Bedürfnissen und Anforderungen der Zukunft ihres Unternehmens her selbst auf den Prüfstand stellen, um hieraus ihre künftige Rolle zu finden und Anforderungsprofile für neue Partner zu definieren.
  • Die Risiken einer Öffnung ggü. neuen Partnern werden identifiziert und mit geeigneten Maßnahmen maximal vermieden.
  • Die Governance eines Familienunternehmens ist an die veränderte Wirklichkeit einer neuen Eigentümerstruktur als PartnerFamilienunternehmen anzupassen.
  • Ein Engpass ist die Suche nach geeigneten und passenden Partnern für die große Mehrheit der kleinen und mittleren Familienunternehmen ohne Zugang zur Börse oder anderen professionellen Marktplätzen für Unternehmensbeteiligungen. Dieser muss überwunden werden.
  • Die Öffnung eines Familienunternehmens für Gesellschafter von außerhalb der Familie ermöglicht einen neuen Unternehmergeist, der alle Beteiligten im gesamten Unternehmen ergreift, auf Kunden und Geschäftspartner übergeht und eine neue Ära im PartnerFamilienunternehmen einleitet.

Neue Ära mit neuen Partnern

Familienunternehmen von morgen bewahren ihren Gründergeist und ihre Werte auch nach der Öffnung. Die Familie bildet die Wurzeln, über die sie hinauswachsen. Unternehmertum, Innovationskraft, soziale Werte, Nachhaltigkeit  uvm sind die Triebkräfte hinein in das morgen.

Die Studie Börsennotierte Familienunternehmen in Deutschland der Stiftung Familienunternehmen kommt ua zum Fazit, dass deutsche börsennotierte Familienunternehmen im Zeitraum 2009 bis 2018 signifikant besser als Nicht-Familienunternehmen abschnitten. „Familienunternehmen wirtschaften auf lange Sicht und mit Substanz. Diese Tugenden übertragen sie auch an die Börse. Sie setzen damit einen Kontrapunkt im Börsenkonzert, in dem es häufig vor allem darum geht, die Erwartungen von Investoren zu steuern“, sagt Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Und der Studienleiter Prof. Dr. Christoph Kaserer stellt zusammenfassend fest, „dass börsennotierte Familienunternehmen für Investoren sehr attraktiv sein können.“

Ich bin überzeugt: Das, was große Unternehmen erfolgreich vorleben, kann auch die Zukunft im Mittelstand sein. Das soll all denen Mut machen, die sich auf den Weg begeben, um mit neuen Partnern eine neue Ära im eigenen Familienunternehmen einzuleiten.

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Über den Autor:


Toni Plonner berät seit über 25 Jahren Unternehmer/innen und Unternehmerfamilien und gilt als einer der erfahrensten Berater für Familienunternehmen. Zudem ist er als Beirat und Aufsichtsrat in namhaften Familienunternehmen tätig. Kontakt