Monat: November 2019

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DIGITALISIERUNG VERÄNDERT FAMILIENUNTERNEHMEN… – aber ihr Unternehmergeist bleibt menschlich

Konzerne und Familienunternehmen

Verfolgt man aktuelle Studien und Medienberichte rund um die Themen Disruption, Digitalisierung, etc., bezeugen diese den Familienunternehmen oft eher schlechte Noten.  Geht es um deren wirtschaftliche Zukunft, macht sich Sorge und Skepsis breit. Anscheinend traut man Konzernen viel mehr zu, insbesondere wenn es um die Hard Facts geht. Dagegen punkten Familienunternehmen bei den Soft Facts.

Herausforderungen für Familienunternehmen

Erst kürzlich war ich Teilnehmer einer Gesprächsrunde mit mehreren jungen Familienunternehmer/innen. Den Eindruck, den ich dort mitnahm, stimmte mich aber durchaus positiv. Sehr offen diskutierte man die Herausforderungen, vor denen diese Unternehmer mit ihren Unternehmen stehen.  Und das beschränkte sich nicht nur auf Digitalisierung. Genannt wurden weitere disruptive Themen wie neue Umweltanforderungen, Marktkonsolidierung und die zunehmende Schnelligkeit im täglichen Geschäft. Aber auch der Wertewandel und eine sich verändernde Geschäftsethik fordern die Unternehmen heraus.

„… das haben wir bisher immer geschafft!“

Beeindruckend war der Umgang mit diesen disruptiven Themen. Man könnte denken, bei der Häufung und Brisanz entsteht eine Weltuntergangsstimmung. Ganz im Gegenteil. Die Unternehmer erkennen Ihre Situation und nehmen sich dieser an. Die Stimmung war gelassen und spürbar kraftvoll. Viele dieser Familienunternehmen befanden sich in der zweiten und dritten Generation, teilweise waren sie noch älter. Und alle erinnern sich an große Veränderungen in den jeweiligen Firmengeschichten.  Ob gesellschaftliche Umbrüche, technologische Erneuerungen, ein Verschieben der Marktkräfte und vieles mehr. Und irgendwie hat man es immer wieder geschafft, das Unternehmen wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

Und es war nicht eine Ignoranz oder Arroganz, die aus den Unternehmern sprach. Vielmehr eine Art Urvertrauen in die unternehmerischen Geschicke und Ressourcen. Sie setzen nicht auf die Devise „das haben wir immer so gemacht“ sondern ihr Motto lautet „das haben wir bisher immer geschafft“.

Vorleben

Ich erlebte sehr reflektierte Menschen, die zuerst sich selbst und ihre Familie in die Pflicht nehmen:  Werte vorleben, Orientierung geben, sinnstiftende Visionen mit klaren Strategien aufzeigen, Offenheit gegenüber Veränderungen von außen, aber auch in der Kommunikation nach innen, wurden genannt.

Speed

Mein persönlicher Eindruck ist, dass, selbst wenn Familienunternehmen etwas später auf digitale und andere Herausforderungen reagieren, sie sehr schnell Fahrt aufnehmen und bei der Umsetzung ihre Stärken ausspielen. Dieser Unternehmenstypus zeichnet sich durch seine Unabhängigkeit bei den großen wichtigen Entscheidungen aus. Familienunternehmer und Familiengesellschafter entscheiden gemeinsam, ohne die Mitsprache Dritter (z.B. Investoren und Kapitaleigner), mit möglichen eigenen Interessen. Im Idealfall handelt man sehr schnell.

Alle mitnehmen

Was aber auch bedeutet, wie es ein Unternehmer ausdrückte:„(…) man darf nicht vergessen, die Familie mitzunehmen!“ Der unternehmerische Dialog in Familienunternehmen umfasst die Mitarbeiter im Unternehmen genauso, wie die Mitglieder in den Eigentümerfamilien. Das gemeinsame Firmeninteresse steht vor dem Einzelinteresse.  Eine gemeinsame Vision verbindet. Und Unternehmenslenker übernehmen die Rolle eines guten Moderators.

Netzwerkengemeinsam sind wir stärker

Wie, wenn es ein kollegiales Bewusstsein gäbe, wächst nicht nur die Bereitschaft zum kollegialen Austausch, sondern auch ein aktives Aufbauen von Unternehmer-Netzwerken. Der gemeinsame Dialog, die Diskussion, das Infrage stellen und das Ringen um Antworten im Kollegenkreis bringt Impulse und neue Perspektiven. Der Austausch fördert das Herausgehen aus dem Tagesgeschäft um „am und nicht im Unternehmen“ zu arbeiten. Aus losen Netzwerken entstehen nicht selten Kooperationen, um Ressourcen und Kräfte zu bündeln und den Herausforderungen gemeinsam zu begegnen.

Den Wandel selbst gestalten

In seinem Beitrag Mythos Disruption schreibt der Zukunftsforscher Mathias Horx: 

„Disruption entsteht immer dann, wenn alte Systeme träge, selbstgerecht und zukunftsblind werden. Viele Unternehmen aber – die Mehrheit! – sind durchaus vital und lernfähig. Gerade deutsche Mittelständler üben seit Jahrzehnten die Kunst der graduellen Evolution: Sie verbessern ihre Produkte, aber auch ihre Prozesse, ständig. So laufen sie den Disrupteuren einfach davon – indem sie den Wandel, dessen Opfer sie werden könnten, selbst gestalten!“[1]

Radikal

Genau diesen Spirit erlebte ich im Workshop mit Familienunternehmern und Familienunternehmerinnen. Mit dem Mut unbequeme Fragen zu diskutieren und das eigene Geschäftsmodell gedanklich „ auf Null zu setzen, um es auf der grünen Wiese neu zu gründen“, gewinnt man neue Einsichten und Erkenntnisse. Das tun, was einst die Unternehmensgründer getan haben. Denn oftmals waren dies Pioniere, Innovatoren und Querdenker. Der Gründergeist ist eine wichtige Wurzel eines Familienunternehmens.

Unternehmergeist ist nicht digital

Ein gemeinsames Fazit der Gesprächsrunde lautete: Familienunternehmen haben Vergangenheit und sie haben Zukunft. Es ist Teil ihrer DNA, große Veränderungen und Umbrüche erfolgreich zu managen. Sie sollten alles daransetzen, ihren Unternehmergeist beizubehalten. Und ja, in der Tat, dieser ist menschlich und nicht digital.

Über den Autor:

Der Family Business Advisor Toni Plonner berät seit über 25 Jahren Unternehmer/innen und Unternehmerfamilien und gilt als einer der erfahrensten Berater für Familienunternehmen. Zudem ist er als Beirat und Aufsichtsrat in namhaften Familienunternehmen tätig.

Persönlicher Kontakt: tp@plonner.de


[1] Matthias Horx: Mythos Disruption.2017, Frankfurt/Main und Wien in DVZ Online, https://www.dvz.de/rubriken/test-technik/detail/news/der-mythos-disruption.html.